Sozialpädagogisches bzw. therapeutisches Handlungskonzept (allgemein)

(c) Werner Th. Jung

In vielen Klausuren werden die Teilnehmer des Leistungskurses Erziehungswissenschaft aufgefordert, ein Handlungskonzept bzw. einen Handlungsplan zu erstellen. Im Folgenden wird darauf eingegangen, in welche Stufen und Phasen sich ein solches Handlungskonzept in der Regel unterteilt.

Zunächst unterscheiden wir zwischen einem therapeutischen Handlungskonzept und einem sozialpädagogischen. Die Grenzen sind hier fließend, sozialpädagogische Interventionen erstrecken sich viele praktische Probleme, so kann im Rahmen eines sozialpädagogischen Handlungskonzeptes sehr wohl die begleitende Hilfe bezüglich eines Wohnungswechsels erfolgen. Ganz praktisch können Sozialpädagogen / innen im Rahmen ihrer sozialen Arbeit Menschen helfen, eine Wohnung zu finden und den entsprechenden Umzug zu organisieren. Derart praktische Hilfe ist im therapeutischen Konzept nicht zu erwarten. Dort erstreckt sich die Hilfe auf psychische Prozesse im Zusammenhang mit Verhaltensauffälligkeiten wie z. B. dem Problem der stoffabhängigen Sucht oder häufiger Gewalt bzw. Aggression. Trotz dieser Unterschiede gibt es Parallelen zwischen dem therapeutischen Handlungskonzept bzw. Plan und dem sozialpädagogischen.

Im Folgenden wird versucht, eine Synthese zwischen dem verhaltensorientierten therapeutischen Handlungskonzept und den Phasen des Unterstützungsmanagement (Case-Management) darzustellen.

Die Aufforderung in Klausuren, ein Handlungskonzept bzw. einen Handlungsplan zu erstellen, beinhaltet nicht einfach die Sammlung von therapeutischen Handlungsideen. Der Unterschied zwischen einer losen Ideensammlung und einem Handlungsplan besteht darin, dass Koordination, Planung und effektive Zielorientierung deutlich werden.



Unterstützungs- Phasen eines therapeutischen bzw. sozialpädagogischen Handlungskonzepts (Handlungsplan)

1. Finde-Phase bzw. Analyse
2. Einschätzung der Lage
3. Planung und Ressourcenvermittlung
4. Handlung bzw. Durchführung der Unterstützung (enthält unterschiedliche therapeutische Interventionen)
5. Bewertung der bisherigen Arbeit und
6. Beendigung des therapeutischen bzw. sozialpädagogischen Prozesses

(WICHTIG: Sollten Sie in Klausuren aufgefordert werden ein pädagogisches und/ oder therapeutisches Handlungskonzept bzw. einen Handlungsplan zu erstellen, so sollen Sie sich immer an die folgenden sechs Phasen halten)

1. Unterstützungs- bzw. Therapiephase: Die Finde-Phase mit anschließender Analyse

Zunächst müssen Menschen, die an einer Verhaltensauffälligkeit leiden, Kontakt mit professionellen Helfern finden. Dies kann in der sozialen Arbeit durch Streetworker entstehen, die durch eine starke Präsenz beispielsweise im Drogen-Milieu es den Süchtigen leicht machen, mit Helfern ins Gespräch zu kommen. Dies kann aber auch dadurch passieren, dass Verwandte mit Süchtigen zu einer Drogenberatungsstelle kommen und dort erstmals Kontakt aufnehmen. Hier werden verschiedene Fragen geklärt:

- Ist professionelle Hilfe wirklich notwendig?
- Welche Art von Hilfe und Unterstützung ist notwendig und würde von dem Hilfesuchenden auch akzeptiert werden?
- Welche Art der Hilfe ist notwendig? Nicht immer ist eine Therapie möglich, sondern eine kurze Gesprächsreihe schon ausreichend.

2.1 Einschätzung der Lage – Analyse

Da menschliche Verhaltensweisen auch durch die Gesamtlebenslage und räumliche Umgebung beeinflusst werden, ist es wichtig, zu analysieren, welche Unterstützung zur Lebensgeschichte und den Lebensverhältnissen des Abhängigen passen. Je sorgfältiger die Lebenslage analysiert wird, desto konkreter können objektive und subjektive Sachverhalte berücksichtigt werden. Dazu gehören familiäre Konstellationen, Beschäftigungsverhältnisse und dergleichen.
Die professionellen Helfer, dies können ausgebildete Sozialarbeiter sein oder auch Therapeuten, erforschen mit dem Hilfesuchenden gemeinsam, welche Realitäten in dem Leben des Klienten zur Sucht führen. Dazu gehören die soziale Position, Einkommen, Arbeitslosigkeit, Alter, Fach- und Sachkompetenzen, das soziale Beziehungsnetzwerk, gesundheitliche Probleme usw.

Bei einem verhaltensorientierten Ansatz ist in der Phase der Analyse die Fragestellung auf drei Ebenen unterteilt:

2.1.1 Verhaltensebene

Der Therapeut bzw. die Therapeutin dokumentiert typische Verhaltensmerkmale des Klienten. Häufigkeit und Intensität des problematischen Verhaltens werden notiert. So wird beispielsweise detailliert angegeben, wie häufig der Alkoholabhängige Alkohol zu sich nimmt und unter welchen Umständen und Rahmenbedingungen dies geschieht.

2.1.2 Kognitive Ebene

Bei der kognitiven, also gedanklichen, Ebene geht es darum, was der Abhängige und vor allem wie er zu den problematischen Verhaltensweisen gedanklich eingestellt ist. Wie erlebt er selber seine Rauschzustände und die Zeit danach? Wie bewertet er den Ist-Zustand?

2.1.3 Physiologische Ebene

Hier wird analytisch dargestellt, wie der Klient körperlich auf seine Situation im Einzelnen und im Allgemeinen reagiert. Unter anderem kann hier auch deutlich werden, dass neben der psychologisch-therapeutischen Behandlung auch eine medizinisch-ärztliche Behandlung notwendig wird. Ebenso kann dargestellt werden, dass der Klient in Situationen, die angstbesetzt sind, mit Stottern, Zittern, erhöhtem Pulsschlag, nervöser Körpersprache und dergleichen reagiert, und dies durch Drogenkonsum versucht zu kompensieren.

In der therapeutischen Analysephase geht es darum, herauszufinden, welche der möglichen Ursachen, die im ersten Teil dieser Lektion erörtert wurden, im Einzelfall zutreffen bzw. welche Kombination der einzelnen Ursachen. Dabei wird im Idealfall möglicherweise von einem Therapeutenteam nicht davon ausgegangen, dass sich das auffällige Verhalten des Klienten allein behavioral oder alleine durch psychoanalytische Erklärungsmuster begründen lässt, sondern das Therapeutenteam ist offen für möglichst viele psychologische Ansätze, um den tatsächlichen, kausalen Zusammenhängen möglichst nahe zu kommen. Daher werden beispielsweise Fragen wie die folgenden in der Analyse geklärt:

2.1.4 Beispiele für denkbare Analysefragen:
- Welche klassischen und/oder operanten Konditionierungen haben für das auffällige Verhalten gesorgt. bzw. erhalten es?
- Welche Verarbeitungsprobleme haben für Abwehrmechanismen im Sinne von Kompensation gesorgt?
- Welche schlechten Vorbilder (Modelle) haben für das auffällige Verhalten des Klienten gesorgt?
- Welche Situationen und räumlichen Gegebenheiten im Lebensumfeld sorgen für die Abhängigkeit des Klienten?

In der Vergangenheit und teilweise auch noch in der Gegenwart wurden die Fragen und Analysetechniken jeweils auf eine psychologische Schule beschränkt. Die Tiefenpsychologen bzw. Psychoanalytiker haben fast ausschließlich nach Problemen in der Kindheit gefahndet, die Verhaltenstherapeuten nach Konditionierungen.
Heutzutage rücken diese unterschiedlichen psychologischen Schulen immer mehr zusammen, so dass ein kombinierter Behandlungsansatz aus den oben beschriebenen Strategien und Erklärungsmöglichkeiten möglich und realistisch wird.

Aus der Beantwortung der oben dargestellten Analysefragen lassen sich gewünschte und erstrebenswerte Verhaltensveränderungen festlegen und formulieren. Diese können in einer Veränderung der Wohnumgebung und Arbeitsplatzgestaltung liegen, meistens - und das ist eher dann der therapeutische Ansatz – geht es um die Aufarbeitung kindlicher Traumata und auch dadurch, um den Erwerb von neuen bzw. veränderten Verhaltensweisen. Die Informationsgewinnung in der Analysephase geschieht in erster Linie durch das Gespräch mit dem Klienten, darüber hinaus können aber auch Bezugspersonen wie Eltern, Lehrer und dergleichen befragt werden. Ganz oft ist es so, dass die Klienten in einer Therapie aufgefordert werden, sehr ausführlich einen detailliert formulierten Lebenslauf zu erstellen. Diese Analyse oder auch Anamne sephase ist der Grundstock, also die Basis, für das darauf folgende sozialpädagogische oder therapeutische Handeln.

Aufgabe 12: Skizzieren Sie die wesentlichen Aspekte zur ersten und zweite Phase eines pädagogischen Handlungskonzepts.

3. Planung und Ressourcenvermittlung

Die Informationen aus der Analysephase müssen nun von dem professionellen Helfer ausgewertet und interpretiert werden. Daraus ergibt sich die Formulierung eines Planes, die sich entweder im therapeutischen Bereich auf Verhaltensänderungen und innerpsychische Prozesse bezieht oder im allgemeinen sozialpädagogischen Sinne auf die offenere Unterstützung des Betroffenen durch das Umfeld und das bewusste Aktivieren der Ressourcen aus derselben.
Zu den Ressourcen aus der Umwelt und des Klienten gehören vorhandene Fähigkeiten, Stärken, Freunde, Nachbarn, Partner/innen und nahe gelegene Behörden, Kulturzentren und dergleichen. Während im allgemeinen sozialpädagogischen Ansatz hier womöglich erst die Entscheidung getroffen wird, eine Therapiemöglichkeit zu suchen und zu beginnen, ist die Planungs- und Ressourcenvermittlungsphase innerhalb einer Therapie fokussiert auf das Erlernen neuer wünschenswerter Verhaltensweisen. Ausgehend von den Ursachen und deren typischen Charakteristik wird bei der Erstellung der therapeutischen Planung der jeweils passende Ansatz ausgewählt.

Beispiel: Ein Mensch, der aufgrund eines Autounfalls auf einer Autobahn eine Phobie vor LKWs und Brücken hat, bedarf nicht die psychoanalytische Kindheitsbearbeitung. Hier gilt, dass ein verhaltensorientierter Ansatz versucht, die Konditionierung entweder im Rahmen einer Extinktion zu löschen oder durch eine neue klassische bzw. operante Konditionierung es dem Klienten zu ermöglichen, auch weiterhin auf der Autobahn LKWs zu überholen ohne Angst vor dem damaligen Unfall zu haben.

Aufgabe 13: Skizzieren Sie die wesentlichen Aspekte zur vierten Phase eines pädagogischen Handlungskonzepts.



4. Unterstützungs- bzw. Therapiephase: Handlung und Durchführung der Unterstützung

Vor Beginn der Unterstützungsphase wird eine verpflichtende, möglicherweise sogar schriftliche Vereinbarung erstellt, die festlegt, welche Art, wie intensiv und wie lange die Unterstützungsphase dauern soll. Bei der Durchführung der Unterstützungsphase hat der professionelle Helfer eine unterstützende, teilweise auch eine steuernde und kontrollierende Funktion. Hier soll geholfen werden, besonders bei lustgesteuerten Klienten, die an einer ES-Dominanz leiden, vorher abgesprochene Ziele aus der Planungsphase nun tatsächlich zu erreichen. Der professionelle Helfer leitet den Unterstützungsprozess unter Berücksichtigung entsprechender Zwischenergebnisse und ggfs. Anpassung der Hilfsstrategien an veränderte Umweltbedingungen, um so schließlich das Ziel zu erreichen, dass in der Planungsphase Klient und professioneller Helfer gemeinsam besprochen haben.

Im Folgenden werden verschiedene Ansätze dargestellt, die je nach Problematik in der Handlungsphase relevant werden.

4.1. Die klassische Konditionierung in der Handlungsphase in der Therapie von Süchtigen

Im Folgenden werden die Möglichkeiten der klassischen Konditionierung in ihrer unterschiedlichen Erscheinungsform im Rahmen einer Therapie erörtert. Dabei wird unterschieden

a) Aufbau von emotionalen Reaktionen und Verhaltensweisen
b) Abbau von emotional bedingten Reaktionen und Verhaltensweisen

Zu a) gehört die Kopplung des Reizes, der die gewünschten Reaktionen bzw. Verhaltensweisen hervorrufen soll, mit einem Reiz, der diese Reaktion bereits hervorruft. Des Weiteren ist hier die mehrmalige Wiederholung der Kopplung von unbedingtem und neutralem Reiz die Grundlage für die später dargestellten Konditionierungstechniken. Dabei ist darauf zu achten, dass ein zeitliches und räumliches Miteinander auftreten der beiden Reize notwendig ist.

Beim Abbau von emotionalen Reaktionen werden die Gegenkonditionierung, das systematische Desensibilisieren, die Reizüberflutung und die Aversionstherapie eingesetzt. Gehen wir einmal davon aus, dass ein oben genanntes Schlüsselsignal oder ein Schlüsselreiz wie ein Bierglas zu suchtartigen Verhaltensweisen führen kann. Eine derartige Konditionierung kann wie folgt entstanden sein:
Bierglas führt zu keiner spezifischen Reaktion.
NS  keine spezifische Reaktion.

Alkohol führt zu Rauschzuständen.
UCS  UCR

Bierglas + Alkohol führt zu Rauschzuständen.
NS + UCS  UCR

Nach mehrmaliger Wiederholung der Kopplung NS + UCS, also das mehrmalige Trinken von Alkohol bzw. Bier aus dem Bierglas führt zu

Bierglas führt zu suchtartigem Verlangen nach Alkohol.
CS  CR


Ursprünglich war also das Bierglas ein neutraler Reiz (NS) und er führte zu keiner besonderen spezifischen oder bedingten Reaktion.

Der Genuss von Alkohol, besonders in hohem Maße führte zu Rauschzuständen. Das heißt, dass Alkohol als unkonditionierter Stimulus (UCS) ein Reiz ist, der ohne vorangegangenes Lernen eine Reaktion, nämlich den Rauschzustand, auslöst. Dieser Rauschzustand wird als positiv erlebt. Die Kopplung Alkohol + Bierglas ist eine Kopplung des neutralen Reizes (NS), also eines Reizes, der zu keiner bestimmten Reaktion führt, mit dem unkonditionierten Reiz, der eine angeborene Reaktion auslöst. Kopplung Alkohol + Bierglas führt ebenfalls zu dem Alkohol-Rauschzustand, zumindest bei wiederholten Kopplungen. Die Konditionierung wird nun deutlich, indem der bedingte Reiz Conditioned Stimulus (CS), also das Bierglas als ursprünglich neutraler Reiz nun durch die mehrmalige Kopplung mit dem UCS = Alkohol eine gelernte bzw. eine bedingte Reaktion hervorruft. Hier ist es der Rauschzustand. Diese bedingte Reaktion (Conditioned Response = CR) ist eine erlernte Reaktion, die durch das Bierglas (CS) ausgelöst wird.

In der Behandlung von alkoholabhängigen Menschen ist es tatsächlich so, dass die Umgebung durchforstet wird nach konditionierenden Reizen (CS), die immer wieder das Verlangen, also die emotionale Reaktion, das Sich-Sehnen nach Rauschzuständen verursachen.

1. Arbeitsaufgabe: Erstellen Sie s ein Beispiel, in dem aggressives Verhalten anhand der klassischen Konditionierung entsteht.

Die sucht auslösenden Reize werden aus der Umgebung verbannt und dadurch wird die Wahrscheinlichkeit verringert, dass aufgrund einzelner Signalreize ein „Rückfall“ in suchtartiges Verhalten geschieht.

4.1.1 Gegenkonditionierung

Des Weiteren wird die Gegenkonditionierung angewendet, um die Reiz-Reaktions-Kette, wie oben beschrieben, im Sinne von erwünschten Verhaltensweisen therapeutisch nutzen zu können.

Definition: Ziel der Gegenkonditionierung ist es, eine nicht erwünschte Reiz-Reaktions-Kette durch eine bessere therapeutisch erwünschte Reiz-Reaktions-Verbindung zu ersetzen. Dies geschieht durch eine erneute Konditionierung, ein bedingter Reiz (CS), eine andere, der unerwünschten bedingten Reaktion (CR) entgegen gesetzte Wirkung erzielt.

Nicht erwünschte emotionale Reaktionen wie beispielsweise Sucht- oder Rauschverlangen können abgebaut werden, indem mehrmals der Reiz, der diese negativen emotionalen Reaktionen zur Folge hat, mit einem Reiz koppelt, dessen, Reaktion mit diesen Emotionen unvereinbar ist: Personen, Objekte oder Situationen, die für den zu Erziehenden verhaltensstabilisierend wirken, werden mit positiven und nicht-verhaltensanregendenden Reizen verbunden. So werden diese Schlüsselreize, Musik, Biergläser, Räumlichkeiten, usw., die bislang die Sucht angeheizt haben, entweder eliminiert und dem Klienten nicht mehr dargeboten, so entsteht eine Löschung des Verhaltens (= Extinktion) oder diese Reize werden mit anderen Reizen wie Naturerlebnisse, Sport, Spaß, gute Gespräche usw. verknüpft. Somit kann eine Musik, die früher zum Suchtverlangen geführt hat, nun, da sie mit anderen Situationen gekoppelt wurde, in Zukunft nicht mehr zum Drogenverlangen führen. Im Zusammenhang mit der Suchtproblematik sei im Folgenden auf die besondere Bedeutung der Aversionstherapie hingewiesen.


4.1.2 Die operante Konditionierung

Zu den weiteren verhaltenstherapeutischen Techniken gehört der Ansatz der operanten Konditionierung.
Nicht alle Probleme können mit klassischen Konditionierungen behoben werden. Bei der operanten Konditionierung erfolgt eine Verstärkung als Konsequenz auf eine bestimmte Verhaltensweise.
Operant bedeutet an bzw. in seiner Umwelt zu operieren.
Operante Konditionierung ist Lernen durch Verstärkung. Das ist der Prozess, in dessen Verlauf Verhaltensweisen vermehrt gezeigt werden durch die der menschliche Organismus angenehme Konsequenzen herbeiführen oder aufrecht erhalten bzw. unangenehme Situationen beseitigen, verringern oder vermeiden kann.

Definition: Verstärkung meint den Prozess, der dazu führt, dass ein vorher zufällig gezeigtes Verhalten nun häufiger auftritt. Dabei muss man positive und negative Verstärkungen unterscheiden.

Definition: Die positive Verstärkung ist der Prozess, der dazu führt, dass ein Verhalten häufiger gezeigt wird, weil durch dieses angenehme Konsequenzen herbei geführt oder aufrecht erhalten werden können. Dies können Belohnungen sein.

Definition: Negative Verstärkung ist der Prozess, der dazu führt, dass ein Verhalten häufiger gezeigt wird, weil durch dieses unangenehme Konsequenzen verringert, vermieden oder beendet werden.

Auf die Suchttherapie bezogen, leitet man aus diesen Prinzipien verschiedene therapeutische Techniken ab.
Beispiel: So gibt es das System der Token Economy (Münz-Verstärkungs-System). Mit dieser Technik geht es darum, dass durch Belohnung in Form von Münzen, Punkten oder Noten erwünschtes Verhalten verstärkt wird, also dem Klienten ein Erfolgserlebnis vermittelt wird, das dafür sorgt, dass er das erwünschte Verhalten in Zukunft häufiger zeigt.
Auf diese Weise kann schrittweise die Methode der Verhaltensformung (Shaping) eingesetzt werden. So kann das alkoholfreie Verhalten der Verzicht auf den Konsum von Drogen durch Belohnung in Form von Münzen, die dann zu einem späteren Zeitpunkt gegen eine größere Belohnung eingetauscht werden, sehr wohl eingesetzt werden. In einer geschlossenen Therapie können die Belohnungen sozusagen erkaufte Privilegien innerhalb der Suchtabteilung eines Krankenhauses sein. Diese verhaltenstherapeutische Technik fördert einen schrittweisen Aufbau des gewünschten Sucht verzichtenden Verhaltens.

Primäre Bekräftigung
Von dem Patienten wird schrittweise mehr und mehr der Verzicht der Verhaltensauffälligkeiten verlangt, wenn er in den Genuss einer primären Bekräftigung kommen will.
Das bedeutet, dass er nach einiger Zeit mehr Token für dasselbe Vorrecht braucht. Das Pflegepersonal, das die Token austeilt, muss hierzu gut angeleitet werden. Es muss genau wissen, welches Verhalten bekräftigt werden soll und welches nicht. Es muss auch sehr konsequent beim Belohnen des gewünschten Verhaltens sein. Anderenfalls wird der gewünschte Effekt nicht erreicht. Da primäre Bekräftigungen, die für die Token eingetauscht werden, nicht für alle Menschen den gleichen Wert haben, müssen sie auf die jeweilige Person speziell bezogen werden.

Wichtig ist der Einsatz von Kombinationen der verschiedenen Lerntechniken, Konditionierung, Modell-Lernen, Assertiveness Training, usw.


Selbstsicherheitstraining
Assertiv bedeutet selbstbewusst, selbstsicher. Vielen Menschen mangelt es an Selbstsicherheit. Sie sind ängstlich, in sozialen Situationen angespannt und trauen sich nicht, ihre eigene Sicht der Dinge darzustellen. Hieraus entsteht durchaus der Versuch, in dem Konsum von Drogen die eigene Unsicherheit zu kompensieren. Selbstsicherheitstraining ist eine Technik, die darauf gerichtet ist, das Selbstwertgefühl, das Ich, zu stärken. Dabei werden unterschiedliche Methoden in Kombination eingesetzt. Sie alle beruhen auf verschiedene Lerntheorien. Hierzu gehört die Gegenkonditionierung, das Modell-Lernen und die Verstärkung von positiven Gedanken.
Der Klient wird vom Therapeuten in soziale Situationen hinein gebracht, die ihm bislang Angst gemacht haben oder die ein Anreiz zum Suchtverhalten gegeben haben. Dies geschieht in vorsichtigen, langsamen Schritten. Der Klient lernt, sich in diesen Situationen selbstsicher zu verhalten.
Schrittweise wird die Intensität der belastenden Situationen verstärkt. Meistens wird diese Technik zunächst in einem Rollenspiel vorher in den geschützten Praxisräumen geübt. Hat der Klient keinerlei Handlungsrepertoire mit den Herausforderungen umzugehen, so wird der Therapeut im Sinne des Modell-Lernens adäquates Verhalten vorspielen. Danach wird dieses vorgespielte Verhalten diskutiert, besprochen und eventuell auf die besonderen Bedürfnisse und Empfindungen des Klienten angepasst. Danach reproduziert der Klient das beobachtete Verhalten beim Therapeuten, indem er es im geschützten Rollenspiel nachspielt.

Wenn der Klient auf diese Art seine Angst zu beherrschen gelernt hat, wird er aufgefordert, das Gelernte in realen Situationen anzuwenden. Der nächste Schritt ist, dass Therapeut und Klient in die reale Welt gehen, um dort in gewissen Situationen das Gelernte durch den Klienten leben zu lassen.

Es wird vorher zusammen mit dem Therapeuten überlegt, welcher Moment dafür am besten geeignet ist, welche Formulierungen benutzt werden sollen usw. Lob und Anerkennung für das Verhalten des Klienten im Rollenspiel aber auch später „draußen“ können hierbei im Sinne der operanten Konditionierung als Verstärker wirken. Das Rollenspiel ist geeignet für Menschen, die im sozialen Kontakt gehemmt oder ungeübt sind. Für sie ist es meistens zu schwierig und zu Angst erregend, selbstsicheres Verhalten alleine in die Praxis umzusetzen. Schon im Rollenspiel kann dieses manchmal schwierig genug sein. Aber das Wissen, dass die Situation nicht echt ist und dass das gezeigte Verhalten keine Konsequenzen in der Wirklichkeit hat, kann soviel Sicherheit geben, dass man sich traut, eigene Unsicherheiten zu überwinden.
Wichtig hierzu ist, dass eine gute Therapeuten-Klientenbeziehung in den vorherigen Phasen der Therapie entstanden ist. Wenn jemand gelernt hat, sich in einer Rollenspielsituation sicher zu verhalten, wirkt das als Verstärkung. Derartige oftmals anstrengende Therapiearbeit wird vom Verhaltenstherapeuten oftmals kombiniert mit Entspannungsübungen während der Therapiesitzungen. Hier wird durch verschiedene Arten von meditativem Training wie z. B. das Yoga ein ganzheitlicher Ansatz versucht.


4.2 Psychoanalytische Therapietechniken in der Handlungsphase

Sollte die Analysephase ergeben haben, dass sich ganz bestimmte Verhaltensweisen aufgrund der Jugenderlebnisse erklären lassen, so werden durchaus psychoanalytische Techniken eingesetzt. Teilweise werden diese analytischen Techniken bereits in der Phase der Analyse eingesetzt, um spezielle Ursachen für Verhaltensauffälligkeit deutlich zu machen.

Der analytische Therapeut überprüft sehr genau, in wie fern Abwehrmechanismen wie Verdrängung, Projektion, Rationalisierung und dergleichen Ursache für Suchtverhalten sein können. Die Psychoanalyse fragt sehr stark, was steht hinter dem vordergründigen, oftmals maskenhaften Verhalten der Klienten. Hierzu werden die Techniken des „freien Assoziierens“, "Deutens" und der "Traumdeutung" angewendet. Bei der freien Assoziation muss der Analysand (= Klient in der Psychoanalyse) Gedanken in Worte fassen, über die er normalerweise nie sprechen würde. Manche Inhalte werden oft für zu unwichtig, zu unbedeutend gehalten, um darüber zu reden. Außerdem gibt es auch immer Widerstände, bestimmte Gedanken oder Gefühle überhaupt zu äußern. Bei dem freien Assoziieren soll alles ausgesprochen werden. Die freie und unmittelbare Äußerung aller einfallenden Gedanken ist die Grundlage jeder psychoanalytischen Behandlung und auch als Grundregel für den Analysanden angesehen. Der Psychoanalytiker reagiert so neutral wie möglich, wertet nicht und verurteilt keine Phantasie des Analysanden. Es ist wichtig, dass der Klient erlebt, dass er alles sagen kann und darf ohne beurteilt zu werden.


4.2.1 Deuten
Eine weitere Technik in der Psychoanalyse ist das "Deuten". Es geht um das Bewusstmachen und Verstehen der Verhaltensweisen. Es werden die Gedanken des freien Assoziierens und auch Verhaltensweisen in der therapeutischen Sitzung interpretiert und versucht, zu erklären.

Beispiel:
Klient: „In der Schule wollte ich immer der Beste sein!“
Therapeut: „Vielleicht wollten Sie dadurch die Anerkennung Ihrer Eltern erhalten.“

Die Grundstrategie der Psychoanalyse besteht also darin, durch verschiedene Techniken Verhaltensweisen erklärbar zu machen und Realitäten aus dem Unbewussten oder Unterbewussten des Menschen ins Bewusste hervor zu holen. Heilung wird erwartet durch das Bewusstmachen eigener psychischer Prozesse. So wird davon ausgegangen, dass ab dem Moment, indem Sachverhalte bewusst sind, die Fähigkeit vorhanden ist, gegenzusteuern und sein Verhalten reflektiert zu ändern.


4.3 Der klientenorientierte Ansatz nach Carl Rogers in der therapeutischen Handlungsphase

Im Unterschied zum psychoanalytischen Ansatz, bei dem vom Therapeuten aus gelenkt und gedeutet wird, wird beim klientenorientierten Ansatz die Selbstexploration durch den Klienten durchgeführt.
Die Selbstexploration ist die fortschreitende Selbstwahrnehmung eigener Möglichkeiten und Verhaltensweisen. Durch einen non-direktiven Gesprächsansatz versucht der Gesprächstherapeut, den Klienten dahin gehen zu lassen, dass er selbständig Probleme und Lösungsmöglichkeiten im Gespräch erkennt.
Die wesentlichen Interventionstechniken des Therapeuten sind die oben schon dargestellten Therapeutenvariablen Empathie (Einfühlungsvermögen), Kongruenz (Echtheit) und die Akzeptanz (Wertschätzung). Es handelt sich hierbei um echte, emotionale und kognitive Äußerungen des Therapeuten bezüglich der Fähigkeiten des Klienten und dessen innerer psychischer Welt.
Bei der Empathie versucht der Berater, sich in die Erlebniswelt des Klienten einzufühlen und diese nachzuvollziehen. Dies gilt besonders für Gefühle und deren Bewertung durch den Klienten. So versucht der Berater bzw. Therapeut, den Schmerz des Klienten so zu fühlen, wie dieser ihn fühlt und die Ursachen für diesen Schmerz so wahrzunehmen wie dieser sie wahrnimmt. Bei der Wertschätzung, der Akzeptanz, geht es darum, dass der Berater bzw. Therapeut dem Klienten emotionale Wärme und Zuneigung entgegen bringt.
Dadurch öffnet sich der Klient vertrauensvoll und ist offen, selber Verhaltensveränderungen zu diskutieren. Wichtig ist, dass das gesamte Verhalten des Therapeuten kongruent ist. Das heißt also, dass eine Echtheit, eine Deckungsgleichheit zwischen den Gedanken und den Handlungen des THERAPEUTEN vorhanden ist..


Aufgabe 14: Skizzieren Sie die wesentlichen Aspekte zur vierten Phase eines pädagogischen Handlungskonzepts.

Aufgabe 15: Erstellen Sie mehrere Schaubilder mit Kästen, Pfeilen usw. um alle Fachbegriffe der vierten Phase eines Handlungskonzepts zu visualisieren. Halten Sie sich dabei an die Mind Mapping-Regeln von Tony Buzan


5. Unterstützungs- bzw. Therapiephase: Bewertung

Nachdem die unterschiedlichen therapeutischen Techniken in Abhängigkeit der jeweiligen Erkenntnisse aus der Analysephase durchgeführt wurden, wird nach einem gewissen Zeitpunkt der Veränderungsprozess des Klienten und das Ergebnis sozialpädagogischer bzw. therapeutischer Bemühungen sorgfältig kontrolliert und mit den Zielen abgeglichen.
Beide, Therapeut und Klient, vergleichen und bewerten den Ist-Zustand der inneren psychischen Realität mit dem Soll-Zustand, also der anzustrebenden Lebenslage bzw. den Therapiezielen, wie sie in der Planungsphase miteinander verabredet wurden. In der therapeutischen Praxis werden hierzu Fragebögen, Interviews und auch die Selbsteinschätzung des Klienten verwendet. Gegebenenfalls kann diese Bewertung bewirken, dass die Strategien in der Handlungsphase verändert werden und neue, veränderte Techniken eingesetzt werden. So ist es wichtig, dass in einem längeren Therapieverlauf Bewertungsphase und Handlungsphase sich abwechselnd einander bedingen.
Wird im Rahmen der Bewertungsphase eine größtmögliche Kongruenz, also eine Deckungsgleichheit, zwischen Ist-Zustand und Soll-Zustand festgestellt, so wird die Therapie in die Abschluss- bzw. Beendigungsphase übergeleitet.

6. Unterstützungs- bzw. Therapiephase: Beendigung

Die Beendigung der Therapeut-Klientenbeziehung ist sukzessive, also Schritt für Schritt einzuleiten. Das Hauptziel der Therapie „Hilfe zur Selbsthilfe“ impliziert, dass die Therapie irgendwann enden muss und der Klient selbst verantwortlich sein weiteres Leben suchtfrei
gestalten kann. Denkbar ist, dass eine Art Nachsorge, z. B. über eine Selbsthilfegruppe, in der der Therapeut unterstützend tätig ist, geschieht.



7. Organisationsform der Interventionen bzw. Training gegen Vehaltensauffälligkeiten

Es gibt verschiedene Hilfen für Menschen mit Vehaltensauffälligkeiten, in denen die oben dargestellten Therapieformen und Therapieelemente eingebaut sind. Bei der Erstellung eines jeden Handlungskonzeptes sollte sich an die oben dargestellten sechs Phasen gehalten werden. Darüber hinaus sind aber weitere Aspekte wichtig. Es gibt verschiedene Hilfen für Menschen mit Vehaltensauffälligkeiten. Eine große Rolle dabei spielen die Selbsthilfegruppen, an die sich Angehörige wenden können. Oft ist es ein Arzt oder eine Beratungsstelle, die Hilfen anbieten.

Falls sich bereits körperliche Symptome und beispielsweise Entzugserscheinungen zeigen, muss beispielsweise dein Abhängiger ins Krankenhaus zur Entgiftung. Hier werden oftmals Medikamente verabreicht, die ihm die Entzugserscheinungen lindern.
Die anschließende Entwöhnungsphase und die bereits beschriebene psychotherapeutische Behandlung, hat das Ziel, dem Abhängigen ein befriedigendes Leben ohne Suchtmittel zu ermöglichen. Dabei müssen die Menschen mit Vehaltensauffälligkeitenn ausreichend motiviert werden um eine Entwöhnung durchzuführen. Sie müssen es jedoch selber wollen. Es wird dabei entschieden, ob eine ambulante Drogentherapie oder eine stationäre Langzeittherapie im Einzelfall angeraten ist. Oftmals sind sehr spezielle persönliche Lebensumstände die entscheidenden Faktoren, ob eine Therapie stationär, also viele Kilometer vom Wohnort entfernt, oder ambulant parallel im normalen Alltagsleben eingebaut wird. Oft ist es so, dass nach einer stationären Therapie, wie sie beschrieben wurde, eine ambulante Psychotherapie angeknüpft wird.

Im Rahmen der Langzeittherapie werden therapeutische Sitzungen, die die oben beschriebenen therapeutischen Techniken beinhalten, ergänzt durch das Zusammenleben und praktische Handeln im Rahmen von Arbeitstherapien, Kunsttherapien und dergleichen.

Aufgabe 16: Skizzieren Sie die wesentlichen Aspekte zur fünften und sechsten Phase eines pädagogischen Handlungskonzepts.

Aufgabe 17: Nennen und erklären Sie therapeutische Interventionstechniken.
Aufgabe 18: Erklären Sie, welche Interventionstechniken präventiver Art es bezüglich des Suchtverhaltens im Rahmen von Erziehung gibt.

Aufgabe 19: Erklären Sie, wovon es abhängt, welche therapeutische Intervention bzw. welcher therapeutische Ansatz in einer Therapie gewählt werden sollte.

Aufgabe 20: Stellen Sie an einem Beispiel den Zusammenhang zwischen Therapeut-Klient-Beziehung und dem Therapieerfolg dar.

Aufgabe 21: Erörtern Sie den Zusammenhang zwischen den von Erikson formulierten Entwicklungsphasen der Identität und der Entstehung von Verhaltensauffälligkeiten. Gehen Sie dabei ergänzend auch auf die Maxime von Klaus Hurrelmann ein.

Aufgabe 22: Erläutern Sie den Begriff Sozialisation ausführlich und beschreiben Sie den Zusammenhang zwischen Sozialisation und dem Entstehen von Verhaltensauffälligkeiten
Aufgabe 23: Erörtern Sie, welche Aufgaben die Gesellschaft mit all ihren Institutionen hat, um Jugendliche vor Verhaltensauffälligkeiten zu schützen.

________________________________________________________

Fußnoten:

Wenninger, Gerd, u.a.: „Lexikon der Psychologie, CD-Rom“, Heidelberg, Berlin, Spektrum, 2000 Akademischer Verlag
(c) Bibliographisches Institut & F. A. Brockhaus AG, 2006
et al. = und Mitarbeiter
apodiktisch = unwiderleglich; keinen Widerspruch duldend
http://www.uni-bielefeld.de/paedagogik/Seminare/moeller02/06konditionieren/index.html
http://www.uni-bielefeld.de/paedagogik/Seminare/moeller02/06konditionieren/
(c) Bibliographisches Institut & F. A. Brockhaus AG, 2006
http://www.edit.uni-essen.de/lp/kognitiv/bandura.htm
(c) Bibliographisches Institut & F. A. Brockhaus AG, 2006
Die gesamte Ausarbeitung: „Training mit aggressiven Kindern“ stammt von den Verhaltenstherapeuten Frau und Herr Petermann. Aus dem Internet kopiert http://www.uni-koeln.de/phil-fak/paedsem/psych/medien/aggression/referate/trainingag.htm
Anamnese[die; griechisch, „Wiedererinnerung“]
Res|sour|ce [-sursə f. , meist Pl.] Rohstoff-, Hilfsquelle, Geldmittel
fo|kus|sie|ren tr. 3 1. in einem Brennpunkt vereinigen (Lichtstrahlen); 2. ausrichten (Linsen); 3. mit scharfer Aufmerksamkeit betrachten