Klaus Hurrelmanns Maxime

Kurzbiographie
Klaus Hurrelmann ist seit 1980 Professor für Sozial- und Gesundheitswissenschaften an der Universität Bielefeld. Seine wichtigsten Arbeitsgebiete sind die Bildungsforschung mit den Schwerpunkten Sozialisation, Schule, Familie, Kindheit und Jugend und die Gesundheitsforschung mit den Schwerpunkten Gesundheitsförderung,

Gesundheitskommunikation und Sucht- und Gewaltprävention. In diesen Gebieten hat er auch mehrere Bücher publiziert und herausgegeben, zuletzt mit Kollegen die Handbücher „Prävention und Gesundheitsförderung“, „Geschlecht, Gesundheit und Krankheit“, „Handbuch der Sozialisationsforschung“ und das „Handbuch Gesundheitswissenschaften“. Seine Lehrbücher, darunter “Einführung in die Sozialisationstheorie”, “Gesundheitssoziologie”, “Lebensphase Jugend”, “Einführung in die Kindheitsforschung”, „Prävention und Gesundheitsförderung“ und „Gewalt an Schulen“ haben zusammen eine Auflage von 100.000 Exemplaren weit überschritten.
Modell der produktiven Realitätsverarbeitung nach Klaus Hurrelmann

Klaus Hurrelmann ist der Begründer des sozialisationstheoretischen Modells der produktiven Realitätsverarbeitung. Aus seinen vielfältigen Forschungen heraus formuliert er Maxime, die mit der jugendlichen Sozialisation zu tun haben.

SOZIALISATION
Zunächst sei der Begriff Sozialisation erklärt.

Hurrelmann und Hulig schreiben:

„Die Sozialisation ist das Hineinwachsen in soziale Beziehungsnetze. Das theoretische Konzept der menschlichen Sozialisation entstand in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts, vor allem in den USA. Aus einer Verbindung lerntheoretischer , soziologischer und kulturanthropologischer Ansätze (Soziologie). Dabei betrachtete man zunächst die menschliche Entwicklung aus der gesellschaftlichen Perspektive eines sozialen Eingliederungsprozesses, dem das Individuum weitgehend passiv ausgesetzt ist. Ein solches mechanistisches Verständnis des Sozialisationsprozesses wurde durch Konzepte abgelöst, nach denen das Individuum durch eine aktive Auseinandersetzung mit anderen Personen spezifische, sozialrelevante Verhaltensweisen und Erfahrungen erwirbt. Aus sozialisationstheoretischer Sicht wird heute die Gesamtheit dieses „Mitglied-Werdens in einer Gesellschaft“ als ein wechselseitiger Vorgang angesehen, als Prozess der Konstituierung der Persönlichkeit in wechselseitiger Abhängigkeit von und in kontinuierlicher Auseinandersetzung mit der sozialen und dinglich-materiellen Umwelt einerseits und der biophysischen Struktur des Organismus andererseits.
Dieser Prozess beinhaltet also einerseits passive Momente im Sinne einer Anpassung an Regeln, Sitten, Normen und Rollenverständnissen und andererseits eine aktive, besonders in der Jugend notwendigen Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Erwartungen und Forderungen. Dann ist Sozialisation nicht nur passiv sondern ein aktiver sozialer Lernprozess, der sowohl durch lerntheoretische , psychoanalytische als auch entwicklungspsychologische Mechanismen erklärt werden kann. Die Theorie des sozialen Lernens beschreibt den Sozialisationseffekt als eine auf einer generalisierenden Erwartung basierende Handlungsform, die im Umgang mit den Sozialisanden (= Eltern, Lehrer usw.) erworben wird.

Die Orientierung an Wertvorstellungen, Normen oder Rollenerwartungen kann zum einen durch externe soziale Kontrolle geschehen, d. h. Gebote und Verbote werden eingehalten, weil externe soziale Instanzen Verhalten sanktionieren (können). Diese Situation fördert das Vermeidungslernen, um sich den erwarteten oder angedrohten Sanktionen entziehen zu können. Zum anderen wird die Einhaltung von Geboten und Verboten durch interne soziale Kontrolle bewirkt. Dieses bedeutet, dass Werte und Normen internalisiert wurden, also verinnerlicht wurden und somit zu einem Persönlichkeitsbestandteil geworden sind.
Zusammen mit den Verhaltensmustern werden dabei auch die Sanktionsinstanzen internalisiert, also so sehr verinnerlicht, dass ein Individuum sich selbst bestrafen oder belohnen kann. Sozialisationseffekte sind somit einerseits die Verhaltenskonformität (offen) und andererseits die Einstellungskonformität (verdeckt). In Abhängigkeit vom Grad des verinnerlichten Verhaltens unterscheiden sich die Gefühlszustände (schlechtes Gewissen usw.) für abweichendes Verhalten. Bei externer Kontrolle tendiert ein Individuum zu Schamvermeidungslernen, bei interner sozialer Kontrolle zu Schuldgefühl oder Ärger und Wut .

1. Arbeitsaufgabe:

Nachdem Sie den Text über die Sozialisation von Hurrelmann und Hulig intensiv gelesen haben, analysieren Sie nun alle Ihnen bekannten Theorien und Ansätze, die teilweise nur stichwortartig in dem o. g. Text „versteckt“ bzw. offensichtlich enthalten sind. Benennen und erklären Sie kurz die entsprechenden Theorien!

Sozialisation geschieht wechselseitig

Sozialisation geschieht nicht einseitig, sondern ist das Ergebnis des Miteinander zwischen Individuum und Gesellschaft. Der Konformitätsdruck der Gesellschaft wird von den einzelnen Individuen bzw. den einzelnen Menschen unterschiedlich aufgenommen und unterschiedlich verarbeitet. Der Sozialisationsdruck, auch als Realität bezeichnet, wird von Jugendlichen dann positiv verarbeitet, wenn sie konstruktive Kompromisse zwischen den Wünschen der Ich-Identität und den Wünschen der Gesellschaft finden können.

Sozialisation ist ein lebenslanger Prozess, in den ersten Lebensjahren werden die grundsätzlichen Aspekte der Persönlichkeit, wie das Empfinden, Denken und Sprechen herausgebildet und als Grundschablone für zukünftiges Verhalten im sozialen Beziehungsrahmen entwickelt.

Das grundsätzliche Lernen von Regeln bezüglich der Gesellschaft und den Umgangsformen wird daher oftmals als primäre Sozialisation bezeichnet. Dementsprechend wird unter der sekundären Sozialisation die Anpassung an Gesellschaft und Normen gemeint, die nach dem vollendeten dritten Lebensjahr über die ganze Lebensspanne hinweg geschieht.

Die primäre Sozialisation, auch familiale Sozialisation genannt, beeinflusst in mannigfaltiger Hinsicht das Verhalten in Kindergarten, Schule und später auch im Umgang mit Freunden. Die schulischen und sekundären Sozialisationsprozesse stehen teilweise im Wettstreit mit den familialen Sozialisationseffekten. Später sind die tertiären, also hochschulausbildungs- oder beruflich orientierten Sozialisationen zu nennen. Die Erlebnisse in der Berufsausbildung, im Studium usw. werden verarbeitet und teilweise verinnerlicht. Aus den o. g. Ausführungen ergibt sich, dass Familie, Schule, Beruf, Ausbildungsstätte, Kirchen usw. Instanzen der Sozialisation sind.

2. Arbeitsaufgabe:
Erklären Sie das folgende Schaubild anhand des Stichworts: Sozialisation:





















Um eine größere Basis für erzieherisches Handeln bzgl. des Jugendalters zu erlangen, werden wir uns im Folgenden einige Einzelaussagen von Klaus Hurrelmann zum Jugendalter anschauen. Er hat acht Maxime formuliert und aufgestellt und versucht hier Aspekte aus verschiedenen Theorien in ein Ganzes zusammenzustellen.


Erste Hurrelmann-Maxime

„Wie in jeder Lebensphase gestaltet sich im Jugendalter die Persönlichkeitsentwicklung in einem Wechselspiel von Anlage und Umwelt. Hierdurch werden auch die Grundstrukturen für Geschlechtsmerkmale definiert.“

Hurrelmann vermutet, dass die Hälfte aller Persönlichkeitsmerkmale, Eigenschaften und Verhaltensweisen angeboren sind, d.h. dass sie zur genetischen Ausstattung gehören. Zu den vererbten Merkmalen gehören lt. Hurrelmann körperliche Fähigkeiten, Intelligenz, Temperament und die Grundstrukturen des Geschlechts. Die andere Hälfte des menschlichen Verhaltens entsteht durch die Erziehung, Sozialisation und die Umgebung, das Umfeld, das den Menschen prägt.

Ein Beispiel: Zu den angeborenen Unterschieden zwischen männlichen und weiblichen Jugendlichen kommen die gesellschaftlichen und kulturellen Vorstellungen von Frau bzw. Mann hinzu. Beides hat Einfluss auf das soziale Miteinander. Die Interaktion zwischen weiblichen und männlichen Jugendlichen werden sehr stark beeinflusst auf Grund der genetischen hormonellen Voraussetzungen aber auch den Vorstellungen, die Jugendliche von älteren Geschwister, Freunden und Eltern übernommen haben. In diesem Zusammenhang darf der Sozialisationsfaktor Medien nicht vergessen werden. Der Umwelteinfluss "Medien, Fernsehen und Jugendzeitschriften" sorgt für große Verhaltensveränderungen im Miteinander der Jugendlichen.

Zweite Hurrelmann-Maxime
„Im Jugendalter erreicht der Prozess der Sozialisation, verstanden als die dynamische und produktive Verarbeitung der inneren und äußeren Realität, eine besonders intensive Phase und zugleich einen für den ganzen weiteren Lebenslauf Muster bildenden Charakter.“

Fast jeder Vater und jede Mutter eines Jugendlichen wissen, dass die Auseinandersetzung mit der inneren und äußeren Realität sehr impulsiv und dynamisch sein kann. Die Jugendlichen sind durch die Veränderung ihrer Körperlichkeit, der Interaktion mit Gleichaltrigen in ihrer Peergroup und den Normen und Regeln, die durch die Eltern und Lehrer vorgegeben werden, herausgefordert, diese zu überprüfen und ggf. zu verwerfen bzw. teilweise zu übernehmen. Zu den Sozialisationsaufgaben des Jugendlichen gehört es, ständig die körperlichen und seelischen Veränderungen wahrzunehmen und das eigene Handeln entsprechend darauf einzustellen. Das Gleiche gilt für die Auseinandersetzung mit der sozialen Umwelt (Familie, Freunde usw.). Jugendliche nehmen – nicht nur durch den Medienkonsum – sehr sensibel Neuerungen und Veränderungen in der Gesellschaft auf. Sie vergleichen diese mit den Normen und Regeln, die die vorhergehende Generation nahe legt. Unterschiede fordern sie heraus, die Regeln der Eltern und Lehrer teilweise zu überprüfen und dann ggf. zu negieren .

Keine Rebellion, sondern eigene Wege
Das Aufnehmen, Einordnen, Bewerten und Interpretieren der sozialen und gegenständlichen Umwelt wird von Eltern manches Mal als „rebellisches Verhalten“ fehl eingeschätzt. Hierbei geht es darum, dass Jugendliche ihre eigenen Ziele und Wege finden. Sie tragen dadurch einen Beitrag zur Erneuerung der Gesellschaft bei. Im Jugendalter werden Strategien und Formen der Selbstlenkung, Selbststeuerung und Selbstorganisation entwickelt, die für das spätere Leben sehr wichtig sein werden. Das erfolgreiche Durchleben dieser Phase meint die produktive Verarbeitung der inneren und äußeren Realität. Das Wort "produktiv" soll ausdrücken, dass es bei der Verarbeitung der inneren und äußeren Realität darum geht, dass der heranwachsende Mensch eine große Zahl von wichtigen Entscheidungen zu treffen hat weil er einer Menge von neuartigen Problemen gegenüber steht. Er benötigt einige Bewältigungsstrategien, die Auseinandersetzung mit der Umwelt und dem problemhaften Strukturen kann wie folgt aussehen:

Problembezogene Strategien:
1. Das Problem diskutier ich mit Mitgliedern meiner Peergroup und – wenn ein Vertrauensverhältnis vorhanden ist – mit meinen Eltern;
2. Bei Schwierigkeiten suche ich fachlich fundierten Rat (Sozialarbeiter an der Schule usw.);
3. Das Problem wird intensiv bedacht und verschiedene Lösungsmöglichkeiten werden formuliert;
4. Ich weiche ab von meiner absoluten Forderung Dinge in meinem Sinn umgesetzt zu wissen und bin bereit Kompromisse zu schließen;
5. Ich habe gelernt Informationen zu recherchieren (Fachbücher, Lexika, Internet usw.) und tue dies aus eigenem Antrieb.
6. Ich versuche meine Probleme guten Freunden zu lösen.

Das Dynamische dieses jugendlichen Auseinandersetzungsprozesses ist aber nicht immer von „elterlicher Vernunft“ geleitet und kann auch wie folgt aussehen:
1. Ich gehe von dem Schlimmsten aus;
2. Ich weiß nicht, wo meine Grenzen sind;
3. Ich tue einfach so, als ob alles in Ordnung wäre, damit keiner etwas merkt;
4. Lasst mich doch einfach alle in Ruhe. Ich reagiere mich ab durch Kompensationshandlungen wie laute Musik, wildes Feten feiern usw.;
5. Ich quatsche mich mit meiner besten Freundin oder meinem „Kollegen“ aus, die verstehen mich schon

Identitätsbildung, Selbstfindung und Selbstwertgefühl

In dieser Phase gelten die Herausforderung zur Bildung eines Selbstwertgefühls und einer Identität.

Zur Auseinandersetzung mit der inneren und äußeren Realität und deren produktiven und dynamischen Verarbeitung gehört es, dass die Selbstfindung des Jugendlichen folgende Punkte positiv klären lässt:
1. Wie, bzw. wer bin ich eigentlich?
2. Wie würde ich gerne sein, bzw. wirken?
3. Für wie, bzw. wen halten mich die Menschen in meiner Umgebung?

Erzieherisches Handeln bzgl. der zweiten Hurrelmann-Maxime
Die Phase der Adoleszenz, also des jugendlichen Heranwachsens, birgt viele Probleme im Umgang zwischen Eltern und Kindern. Die dynamische Auseinandersetzung mit der Umwelt sorgt dafür, dass vieles von Jugendlichen, wie oben schon dargestellt, in Frage gestellt wird. Dazu gehört das fleißige Arbeiten in der Schule, Probleme im sozialen Umgang mit den Eltern oder anderen Erziehenden, Schwierigkeiten in der Schule, Schwierigkeiten bei der Berufswahl und in der Berufsausbildung, sowie von Eltern unerwünschte Freundschaften.
Ebenfalls gehört in diese Phase die Identitätsfindung bzgl. der eigenen Sexualität und das sexuelle Rollenverhaltens. Diese Phase verlangt von Eltern sehr viel Einfühlungsvermögen und Verständnis für die berechtigten Interessen der Jugendlichen. Sie müssen verstehen, dass diese stürmischen Zeiten zum Loslösungsprozess und zum "Erwachsenen-werden" gehören.
Die Menschheit entwickelt sich weiter, indem Jugendliche keine Kopien der Eltern und Lehrer sind, sondern dadurch, dass sie eigene neue und hoffentlich bessere Wege suchen, finden und gehen.

Hierzu gehört es, dass beide Seiten immer wieder bereit sind Kompromisse zu schließen. Der Partybesuch des Jugendlichen muss möglich sein, aber ebenso der gesicherte Heimweg. Oftmals fühlen sich Eltern in dieser Phase als „bessere Taxifahrer“, wenn sie ihre liebe 17-jährige Tochter nachts um zwei Uhr von einer Fete abholen dürfen. Die berechtigte Angst um das Wohlbehaltensein des Kindes lässt sie zu Recht die Forderung stellen, dass ihr Kind nicht mit wildfremden Menschen irgendwann nach Hause kommt. Die Kompromisse sind in dieser Lebensphase notwendig und vielfältig für beide Interaktionspartner. Übertriebene elterliche Strenge sorgt, je nach Temperament des Kindes, nur dafür, dass Dinge heimlich und somit viel gefährlicher vollzogen werden.

Ist ein Vater noch so sehr überrascht, dass seine 16-jährige Tochter einen Freund hat, sollte er nicht im Stil von Al Bundy (Fernsehserie eine schrecklich nette Familie) reagieren und alle männlichen Bewerber durch körperliche Gewalt ausgrenzen, sondern durch offenes, freundliches kommunikatives Verhalten Tochter und Freund bzw. Sohn und Freundin einladen und durch einen positiven Gesprächskontakt Einflussmöglichkeiten zu erhalten. In diesem Zusammenhang sei die Familienkonferenz nach Thomas Gordon genannt. In regelmäßigen Abständen treffen sich Eltern und Kinder und diskutieren – kompromissbereit – die Möglichkeiten, die es gibt um unterschiedliche Interessen weitest möglich unter „einen Hut“ zu bekommen. Das Einhalten von Kommunikationsregeln, die es ermöglichen sich zu öffnen und Vertrauen zu bilden ist notwendig.


Dritte Hurrelmann-Maxime
„Menschen im Jugendalter sind schöpferische Konstrukteure ihrer Persönlichkeit mit der Kompetenz zur eigen gesteuerten Lebensführung.“

Jugendliche müssen sich, gerade weil sie im Vergleich zu Erwachsenen, typischer Weise noch nicht den vollen Grad des selbstständigen Handelns und des vollen Überblickes aller Möglichkeiten und Probleme besitzen – als aktive handelnde Individuen darstellen.

„ Ich kann das schon, lass mich in Ruhe, ich weiß, was ich will.“, sind Aussprüche, die diesen Wunsch bestätigen. Sie nehmen sich wahr als Handelnde und entwickeln durch diese Art und Weise ein Bild von sich selbst indem sie alle bisherigen Interaktionen und Handlungen mit Eltern und Peergroup-mitgliedern auswerten und hieraus sehr stark ein Selbstwertgefühl, oder im negativen Falle ein Minderwertigkeitsgefühl entwickeln.

Sie entwickeln eine Identität, welche durch ein positiv geführtes Selbstbild entstehen kann. Das Ziel ist es, auch unter wechselnden Bedingungen sich als gleiche Persönlichkeit wahrzunehmen. Die Voraussetzung dafür ist das Entwickeln eigener unverwechselbarer Eigenschaften und Fähigkeiten und die Integration, d.h. die Vergesellschaftung der menschlichen Natur.

Die Persönlichkeitsentwicklung und somit die Identitätsbildung ist in keiner Phase laut Hurrelmann abgeschlossen, sondern verlagert sich über einen längeren Zeitraum.
Dies ist bedingt durch die Verlängerung der Lebensdauer und der heute typisch großen Spielräume für einen individuellen Lebensstil.

Die jugendlichen Formen der Lebensführung werden immer aussagekräftiger für die Lebensphasen im frühen und späten Erwachsenenalter, weil auch in diesen Phasen Umbrüche und Unsicherheiten typischer und häufiger werden.

WICHTIG: Hurrelmann lockert h das starre Phasendenken von Erikson, Freud und Piaget auf. Veränderte gesellschaftliche Realitäten zeigen, dass nicht phasenkonformes Verhalten, z.B. im Sinne von Erikson, nicht mehr die seltene Ausnahme, sondern immer häufiger Realität ist.



Vierte Hurrelmann-Maxime
„Die Lebensphase Jugend ist durch die lebensgeschichtlich erstmalige Chance gekennzeichnet, eine Ich-Identität zu entwickeln. Sie entsteht aus der Synthese von Individuation und Integration“

Jugendliche entwickeln in dieser Phase eine eigene Identität, wollen eine eigene Weltanschauung und Meinung bilden. Dies geschieht oftmals auch in bewusster Abgrenzung zu den Eltern. Haben Eltern und Kinder es in den Jahren der Kindheit geschafft ein feste, vertrauensvolle Beziehung aufzubauen, so geschieht die Entwicklung der Ich-Identität und Individuation sehr wohl in einer Art kollegialen Zwiegespräch mit den Eltern, Lehrern und natürlich mit den Altersgenossen. Fehlt diese Vertrauensbeziehung geschieht die Phase der Ich-Identitätsbildung, umso heftiger und aus dem Blickwinkel der Eltern um so rebellischer. Der Begriff Identität drückt aus, dass über eine längere Phase kontinuierlich der Jugendliche typische Denkweisen, Eigenschaften und Fähigkeiten an sich selbst erlebt und diese wertschätzen lernt. Voraussetzung hierfür ist genügende Entscheidungsfreiheit.


Für Hurrelmann ist die Kombination von Individuation und Integration sehr wichtig. Während es bei der Individuation um den Prozess der Entstehung der Ich-Identität geht, geht es bei der Integration um die Vergesellschaftung des Menschen, also unter anderem um die Anpassung an die gesellschaftlichen Regeln, Werte, Sitten und Gebräuche. Auch die Prioritäten bezüglich des Berufslebens, Geld-Verdienens, Geld-Ausgebens, Bedienen von modischen Ansprüchen und dergleichen gehören hierzu. Beides können auseinanderstrebende Pole sein, das Spannungsverhältnis kann von Jugendlichen sehr intensiv und dynamisch erlebt werden. Über diese Phase werden oft Witze und ironische Bemerkungen gemacht. Aus elterlicher Sicht gibt es hierfür folgendes Beispiel:

VORSICHT!

Teenager in der Pubertät

• Unzurechnungsfähig
• Kann alles
• Weiß alles
• Reizbar

Erwachsene erleben das Bewegen zwischen den Polen Individuation und Integration oftmals als unzurechnungsfähig, d. h. nicht nachvollziehbar, oder, wenn die Tendenz gerade zur Ich-Identität geht, als „Kann-alles-Weiß-alles“-orientiert. Geht die Tendenz ins Ungewisse, erlebt die Erwachsenenwelt den Jugendlichen eher als „Reizbar“, unausgeglichen, traurig.

Hurrelmann geht davon aus, dass sich aus dieser Phase heraus Veränderungen und Widerstand gegenüber gegebenen Realitäten ergeben. Das bezieht sich ebenso auf die institutionellen und organisatorischen Strukturen des menschlichen Lebens. Aus dieser nicht einfachen Phase erhofft sich Hurrelmann eine erneuernde Kraft, die von der jungen Generation ausgeht und somit die Gesellschaft positiv verändert.

Die fünfte Hurrelmann-Maxime
„Der Sozialisationsprozess im Jugendalter kann krisenhafte Formen annehmen, wenn es Jugendlichen nicht gelingt, die Anforderungen der Individuation und der Integration aufeinander zu beziehen und miteinander zu verbinden. In diesem Fall werden die Entwicklungsaufgaben des Jugendalters nicht gelöst und es entsteht Entwicklungsdruck.“


Die fünfte Hurrelmann-Maxime beschreibt mögliche Ursachen für Verhaltensauffälligkeiten und Verhaltensstörungen von Jugendlichen wie Gewalt, Sucht und auch Jugendkriminalität. Das nicht erfolgreiche Lösen der Entwicklungsaufgaben des Jugendalters kann zu einem Entwicklungsdruck führen, damit ist gemeint, dass die nicht bewältigten und erlernten Kompetenzen im Umgang mit der Gesellschaft zu selbstschädigenden und sozial nicht anerkannten Verhaltensweisen führen kann.

Entwicklungsaufgaben
Definition: Entwicklungsaufgaben sind Aufgaben, die Kinder, Jugendliche und später Erwachsene lösen müssen, um eine positive Sozialisation, im Sinne eines vernünftigen Kompromisses zwischen Anpassung und Selbstverwirklichung, zu realisieren.
Jede Sozialisationsinstanz stellt unterschiedliche Entwicklungsaufgaben, die der Jugendliche abwägen, koordinieren und einer eigenen Priorität zu ordnen muss.

Beispiele für Entwicklungsaufgaben einer 17-jährigen:

Sarah hat wirklich viele „Baustellen“.

1. Die Eltern erwarten von Sarah, dass sie aktiv in der Schule mitarbeitet und einen möglichst guten Notendurchschnitt erreicht. Sie soll gut gerüstet eine optimale Berufsausbildung bzw. ein Studium machen.

2. Die gleichaltrigen Freunde und Freundinnen von Sarah erwarten von Ihr ein cooles Aussehen und Verhalten. Das Anpassen an jugendlichen Sprachstilen und Modeerwartungen nimmt sehr viel Zeit und Kraft in Anspruch.

3. Partnerschaft. Sarah hat bislang noch keinen Freund gehabt. Ihre Freundinnen erzählen seit mindestens 4 Jahren davon, welche tolle Partnerschaftsversuche sie doch schon auf psychischer und physischer Ebene erlebt haben. Unabhängig davon, ob diese Erzählungen der Wahrheit entsprechen, gehört es zu Sarahs Entwicklungsaufgaben, das Thema Partnerschaft in einer für sie zufrieden stellenden Art zu lösen. Das Nicht-Lösen und ein damit entstehender Frust können Auswirkungen auf die Lösungskompetenzen für andere Entwicklungsaufgaben haben. Defizitäre Strategien können für das Nicht-Lösen der Aufgaben sorgen.

Permanent wird Sarah aufgefordert, kommunikations- und interaktionstechnisch mit Gleichaltrigen, mit Lehrern und den Eltern eine Basis zu finden. Diese Anforderungen sind oftmals höher und anstrengender als das, was viele 40-Jährige zu leisten haben.

Hurrelmann schreibt: „Ein wachsender Anteil von Jugendlichen ist durch die komplexe Kombination von Entwicklungsaufgaben überfordert. Sie verfügen weder über die personalen noch die sozialen Ressourcen, um den Belastungs-/Bewältigungsprozess erfolgreich zu durchlaufen. Die Überforderung drückt sich in sozialen und gesundheitlichen Entwicklungsstörungen aus. Diese Störungen sind gewissermaßen der „Preis“, den Jugendliche für den heute typischerweise sehr hohen Grad der Selbststeuerung, der Lebensführung mit der Chance zur individuellen Gestaltung der Biographie zu zahlen haben.“

Anders formuliert bedeutet die Tatsache, dass Kinder und Jugendliche demokratisch, selbstständig und individuell erzogen werden, dass sie viel mehr in ihrem Leben Anforderungen selber klären und bewältigen müssen als Kinder und Jugendliche, die sich vor vielen Jahrzehnten nur in Gehorsam üben durften. Bewältigen die heutigen Jugendlichen die Entwicklungsaufgaben, sind sie eher selbständig und befähigt, in einer multikulturellen und multiideologischen Gesellschaft zu leben.

Sechste Hurrelmann-Maxime

„Um die Entwicklungsaufgaben zu bewältigen und das Spannungsverhältnis von Individuations- und Integrationsanforderungen abzuarbeiten, sind neben individuellen Bewältigungsfähigkeiten („personale Ressourcen “), auch soziale Unterstützungen durch die wichtigsten Bezugsgruppen („soziale Ressorcen“) notwendig.


Beispiel:

Sarah, 17 Jahre, hat gerade eine Phase der partnerschaftlichen Annäherung an Marcel hinter sich. Der 16-jährige Marcel sprach sehr viel von Liebe und Geborgenheit, die er bei Sarah finden könne. Schon nach dem zweiten Treffen schlug er doch vor, dass er bei Sarah schlafen könne. Diese erlaubte dies ihm drei Meter entfernt von Sarahs Bett auf einer Luftmatratze. Als er eine Woche später erneut bei Sarah schlafen wollte, und sie nur ein begrenztes Maß an körperlicher Nähe zuließ, war Marcel sehr frustriert. Seine Freunde fragten sehr nachhaltig und fordernd, in wie weit Marcel erfolgreiche Eroberungsstrategien bei Sarah durchführen konnte. Die Misserfolgmeldung sorgte für Spott und Hohn seiner „Kollegen“ .
Sarah war sehr enttäuscht und frustriert über die Tatsache, dass Marcel die Distanzwünsche bezüglich der Körperlichkeit mit Kontaktabbruch bestrafte.
In dieser krisenhaften Situation half es Sarah sehr, dass sie mit ihren Eltern ausführlich diese Problematik diskutieren konnte. Zur Bewältigung der Entwicklungsaufgabe „Partnerschaft“ sind die Bezugspersonen "Eltern" für Sarah existentiell wichtig. Ihre Aussage „Oh, Mama und Papa, mit Euch kann man so toll über diese Dinge reden. Mir geht es jetzt schon viel besser.“ beweist, wie konstruktiv die Bezugspersonen,
-Hurrelmann würde von sozialer Ressource- sprechen-, die produktive Realitätsverarbeitung von Sarah unterstützen können.


Siebte Hurrelmann-Maxime
„Ob die Stimulierungs- oder die Belastungspotentiale im Verlauf der Persönlichkeitsentwicklung im Jugendalter überwiegen, hängt wesentlich von den sozialstrukturellen Vorgaben für die Gestaltung der Jugendphase ab. (…) neben der Herkunftsfamilie sind Schulen, Ausbildungsstätten, Gleichaltrige und Medien als Sozialisationsinstanzen die wichtigsten Vermittler und Unterstützer im Entwicklungsprozess des Jugendalters. Günstig für die Sozialisation sind sich ergänzende und gegenseitig anregende Impulse dieser Instanzen.“
Jede Gesellschaft hat die Aufgabe, Jugendliche auf das Leben in der Gesellschaft vorzubereiten und somit zu integrieren. Das oben erwähnte Spannungsverhältnis lässt Jugendliche aber nicht nur Richtung Integration sondern eben in die entgegen gesetzte Richtung, nämlich die Individuation, streben. Die Gesellschaft muss Möglichkeit für beides erlauben. Würden Jugendliche im Rahmen eines autoritären restriktiven Erziehungsstiles ausschließlich integriert werden, könnten keine Handlungskompetenzen entwickelt werden, um später veränderte gesellschaftliche Situationen zu bewältigen.

Allerdings dürfen die gesellschaftlich vorgegebenen Handlungsspielräume nicht so unklar und ungeregelt sein, dass Jugendliche keine Orientierungspunkte mehr finden und ausschließlich ES-gesteuert leben. In einer Gesellschaft, wo es viele verschiedene Normensysteme parallel nebeneinander gibt, ist es äußerst schwierig für Jugendliche geworden, dass für sie richtige und positive Werteschema herauszufinden.

Achte Hurrelmann-Maxime

In der Vergangenheit hat sich die Lebensphase „Jugend“ als eine relativ kurz andauernde Übergangsphase zwischen dem Kindsein und dem Erwachsensein herausgestellt. In den letzten Jahren hat sich jedoch einiges verändert:

• Die Anzahl an beruflichen Möglichkeiten wie Ausbildungsplätze sind für Jugendliche drastisch gesunken;
• Miterzieher wie Medien und Peergroups sind sehr viel stärker geworden;
• die Anzahl und Kompliziertheit der Lebensaufgaben, wie bereits oben dargestellt, haben zugenommen.

Heutzutage wird davon ausgegangen, dass die Phase der Jugend ca. 15 Jahre dauert und daher eine eigene besondere biographische Wichtigkeit für den gesamten Lebensablauf hat. Dies fordert alle Sozialisanden heraus, die Bedürfnisse und Anforderungen der Jugend sehr viel mehr ernst zu nehmen und sich auf sie einzustellen.

Aufgaben zur Selbstüberprüfung

4. Fassen Sie die Hurrelmann-Maximen mit eigenen Worten zusammen
5. Erörtern Sie die Bedeutung der Hurrelmann-Maximen für die Erziehung
a) im Elternhaus
b) in der Schule.
Illustrieren Sie dabei Ihre Ausführungen anhand praktischer Beispiele.

6. Erstellen Sie zu jeder Hurrelmann-Maxime ein Schaubild, in dem Sie Aspekte und deren Beziehung zueinander durch Kästen, Pfeile, Kreise und dergleichen darstellen.

7. Gestalten Sie ein Fallbeispiel, in dem Sie einen Jugendlichen beschreiben, der eine Sozialisation entsprechend der Hurrelmann-Maxime positiv durchlebt.

8. Erörtern Sie die einzelnen Maxime und diskutieren Sie, welche aus Ihrem Blickwinkel besonders wichtig erscheint. Gehen Sie dabei auch auf die Fragestellung ein, welche Aspekte aus den Hurrelmann-Maximen Ihnen von anderen Theorien und Ansätzen bekannt sind. An welchen Stellen können Sie mit Zustimmung bzw. mit Ablehnung reagieren? Begründen Sie ausführlich Ihre Sichtweise.

9. Sofern Sie es nicht bei den vorhergehenden Aufgaben berücksichtigt haben, erörtern Sie nun, inwiefern Hurrelmanns-Maxime Bezugspunkte zu
a) Eriksonschen Entwicklungsmodell
b) dem Entwicklungsmodell von Sigmund Freud und
c) dem kognitiven Entwicklungsmodell von Piaget enthalten.

Begründen und erklären Sie verständlich und nachvollziehbar.


9. Arbeitsaufgabe: Erörtern Sie die Auswirkung der Peer-Group auf die Entwicklung eines Jugendlichen anhand dieses Schaubildes und anhand der Inhalte, die Sie über Eriksons Modell und Hurrelmanns Aussagen gelernt haben.

Die Gruppe der Gleichaltrigen (peer-groups)

Vergleich von Hurrelmanns Maxime

Umfangreiche Version von 2004 und 2006
Version aus dem Aufsatz von 2008
Erste Hurrelmann-Maxime
„Wie in jeder Lebensphase gestaltet sich im Jugendalter die Persönlichkeitsentwicklung in einem Wechselspiel von Anlage und Umwelt. Hierdurch werden auch die Grundstrukturen für Geschlechtsmerkmale definiert.“
• Sozialisation vollzieht sich in einem Wechselspiel von Anlage und Umwelt

Zweite Hurrelmann-Maxime
„Im Jugendalter erreicht der Prozess der Sozialisation, verstanden als die dynamische und produktive Verarbeitung der inneren und äußeren Realität, eine besonders intensive Phase und zugleich einen für den ganzen weiteren Lebenslauf Muster bildenden Charakter.“
• Sozialisation ist der Prozess der Persönlichkeitsentwicklung in wechselseitiger Abhängigkeit von den körperlichen und psychischen Grundstrukturen und den sozialen und physikalischen Umweltbedingungen. Die körperlichen und psychischen Grundstrukturen bilden die innere, die sozialen und physikalischen Umweltbedingungen die äußere Realität.
Dritte Hurrelmann-Maxime
„Menschen im Jugendalter sind schöpferische Konstrukteure ihrer Persönlichkeit mit der Kompetenz zur eigen
gesteuerten Lebensführung.“ • Sozialisation ist der Prozess der dynamischen und „produktiven“ Verarbeitung der inneren und << äußeren Realität

Vierte Hurrelmann-Maxime
„Die Lebensphase Jugend ist durch die lebensgeschichtlich erstmalige Chance gekennzeichnet, eine Ich-Identität zu entwickeln. Sie entsteht aus der Synthese von
Individuation und Integration“ • Eine gelingende Persönlichkeitsentwicklung setzt eine den individuellen Anlagen angemessene soziale und materielle Umwelt voraus. Die wichtigsten Vermittler hierfür sind Familien, Kindergärten und Schulen als Sozialisationsinstanzen
Die fünfte Hurrelmann-Maxime
„Der Sozialisationsprozess im Jugendalter kann
krisenhafte Formen annehmen, wenn es Jugendlich-
en nicht gelingt, die Anforderungen der
Individuation und der Integration aufeinander zu
beziehen und miteinander zu verbinden.
In diesem Fall werden die Entwicklungsaufgaben
des Jugendalters nicht gelöst und es entsteht Entwicklungsdruck.“ • Nicht nur die Sozialisationsinstanzen haben Einfluss auf die Persönlichkeitsentwicklung, sondern auch andere soziale Organisationen und Systeme, die in erster Linie Funktionen für die Arbeit, Freizeit, Unterhaltung und soziale Kontrolle erbringen

Sechste Hurrelmann-Maxime
„Um die Entwicklungsaufgaben zu bewältigen und
das Spannungsverhältnis von Individuations- und Integrationsanforderungen abzuarbeiten, sind neben
individuellen Bewältigungsfähigkeiten („personale Ressourcen“), auch soziale Unterstützungen durch
die wichtigsten Bezugsgruppen („soziale Ressorcen“) notwendig.
• Die Persönlichkeitsentwicklung besteht lebenslang aus einer nach Lebensphasen spezifischen Bewältigung von Entwicklungsaufgaben

Siebte Hurrelmann-Maxime
„Ob die Stimulierungs- oder die Belastungs-
potentiale im Verlauf der Persönlichkeits-
entwicklung im Jugendalter überwiegen, hängt
wesentlich von den sozialstrukturellen Vorgaben
für die Gestaltung der Jugendphase ab. (…) neben der Herkunftsfamilie sind Schulen, Ausbildungsstätten, Gleichaltrige und Medien als Sozialisationsinstanzen die wichtigsten Vermittler und Unterstützer im Entwicklungsprozess des Jugendalters. Günstig für die Sozialisation sind sich ergänzende und gegenseitig anregende Impulse dieser Instanzen.“
Ein reflektiertes Selbstbild und die Entwicklung einer Ich-Identität sind die Voraussetzung für ein autonom handlungsfähiges Subjekt und eine gesunde Persönlichkeitsentwicklung. Lässt sich die Identität nicht herstellen, kommt es zu Störungen der Entwicklung im körperlichen, psychischen und sozialen Bereich.

Achte Hurrelmann-Maxime
In der Vergangenheit hat sich die Lebensphase „Jugend“ als eine relativ kurz andauernde Übergangsphase zwischen dem Kindsein und dem Erwachsensein herausgestellt. In den letzten Jahren hat sich jedoch einiges verändert:
• Die Anzahl an beruflichen Möglichkeiten
• wie Ausbildungsplätze sind für Jugendliche drastisch gesunken;
• Miterzieher wie Medien und Peergroups
sind sehr viel stärker geworden;
• die Anzahl und Kompliziertheit der Lebens
aufgaben, wie bereits oben dargestellt, habe
zugenommen.

Individuation = Dies ist der Prozess des Aufbaus einer individuellen Persönlichkeitsstruktur auch Selbstwerdung des Menschen genannt. Im Verlauf dieses Prozesses wird die eigene Einzigartigkeit bewusst. Zu ihr gehören unverwechselbare kognitive, motivationale, sprachliche, moralische und soziale Merkmale und Kompetenzen. Zur Individuation gehört auch, dass Erkennen der eigenen Unterschiedlichkeit im Vergleich mit anderen Menschen. Zu dieser Unterschiedlichkeit gehört das subjektive Erleben als einzigartige, einmalige Persönlichkeit, dass mit dem Aufbau der personalen Identität gleich zusetzen ist.
Integration = Bei der Integration geht es um die Vergesellschaftung des Menschen, also unter anderem um die Anpassung an die gesellschaftlichen Regeln, Werte, Sitten und Gebräuche. Auch die Prioritäten bezüglich des Berufslebens, Geld-Verdienens, Geld-Ausgebens, Bedienen von modischen Ansprüchen und dergleichen gehören hierzu. Beides können auseinanderstrebende Pole sein, das Spannungsverhältnis kann von Jugendlichen sehr intensiv und dynamisch erlebt werden.

10. Arbeitsaufgabe:
In der Tabelle oben finden Sie in der linken Spalte die Zusammenfassung der Hurrelmann-Maxime wie sie in dieser Ausarbeitung dargestellt sind. In der rechten Spalte finden Sie eine gekürzte Fassung aus einem von Klaus Hurrelmann verfassten Aufsatz: Vergleichen Sie die beiden unterschiedlichen Darstellungen und benennen Sie eventuelle Unterschiede.

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Fußnoten:

Produktiv = ein sinnvolles Ergebnis hervorbringend, fruchtbar, kreativ, leistungsstark
Arbeitsstand 6. März 2009
lerntheoretisch =Lerntheoretisch bezieht sich auf die in der Psychologie und Pädagogik verschiedenen entwickelten Theorien bezüglich des Lernens. Hier sind die Reizreaktionstheorien (klassische Konditionierung) und die Theorien nach dem Prinzip von Versuch und Irrtum (operante Konditionierung) an erster Stelle zu nennen. Des Weiteren gehören hierzu die Theorien Lernen aus Einsicht, Lernen durch Problemlösen und durch Imitationen.
Mechanismus = Im Zusammenhang mit der Philosophie bzw. der Pädagogik ist ein selbsttätiger Ablauf von ineinandergreifenden Vorgängen gemeint, die wie selbstverständlich im Sinne von Naturgesetzen sehr mechanisch und immer durch direkte ursächliche Zusammenhänge geschehen. Anders ausgedrückt, es handelt sich um Prozesse, die wie selbstverständlich ohne besonderes Zutun geschehen.
Konstituierung = Bildung, Gründung, Ins-Leben-Rufen, die eigene Organisationsform gründen, sich eine Geschäftsordnung geben
kontinuierlich = auf Stetigkeit, Fortdauer, gleichmäßigem und ununterbrochenem Fortgang eines Prozesses bezogen
sozial = hier: auf die menschliche Gemeinschaft und Gesellschaft bezogen bzw. betreffend
biophysisch = die Vorgänge und Zusammenhänge zwischen körperlich und biologischen Funktionsweisen betreffend, biophysisch ist also all das, wo es um die biologische Funktion des Körperlichen geht
lerntheoretisch= sich auf die klassischen Lerntheorien beziehend. Hierzu gehören die Theorien zu der klassischen Konditionierung, der operanten Konditionierung und der sozial-kognitiven Lerntheorie (=Modelllernen) nach Bandura..
psychoanalytisch = sich auf die Psychoanalyse beziehen, also auf die von Sigmund Freud begründete Theorie und Psychologiemethode zur Erklärung des seelischen Geschehens und zur Entstehung und Behebung seelischer Störungen. Die Bezeichnung Analyse wurde von Freud sehr früh, 1894, verwendet und ist mit Zergliederung zu übersetzen.
extern = außenstehend, von außen kommend
Soziale Instanzen bzw. Sozialisationsinstanzen sind all die gesellschaftlichen Gruppen und Institutionen wie Familie, Schule, Ausbildungsinstitutionen, Sportvereine, politische Gruppen, Kirchen, die Sozialisationsprozesse ermöglichen, beeinflussen und in Bewegung bringen und somit Regeln, Sitten, Verhaltenserwartungen und Werte dem Menschen nahe bringen.
sanktionieren = Aus dem hier gemeinten soziologischen Blickwinkel meint Sanktionieren das Durchführen von Maßnahmen und Handlungsweisen, die von der Gesellschaft oder von Ihren einzelnen Gruppen durchgeführt werden. Sanktionierung kann positiv durch Belobigungen, gute Gehälter, Ordensverleihungen usw. geschehen, aber auch durch negative Handlungsweisen wie Strafe, Zwang, Druck, Herabsetzung, ein Nicht-in-die-Gesellschaft-aufsteigen-lassen. Diese Art von Sanktionierung ist ein Mittel der sozialen Kontrolle und sorgt für das Annehmen sozialer Werte.
Konformität = angepasst und übereinstimmend handeln mit vorgegebenen Regeln und Werten,
Hoher Konformitätsdruck beschränkt die persönliche Freiheit, dadurch entstehend Schwierigkeiten für die persönliche Selbstverwirklichung, Selbstbestimmung und einer notwenigen kritischen Haltung gegenüber gesellschaftlichen, politischen und modischen Vorgaben und Normen.
Vgl. Hurrelmann, K & Ulig, D., Neues Handbuch der Sozialisationsforschung, Weinheim; Beltz, 1991
primär = erstrangig, zuerst, am Anfang stehend
Maxime = Grundsatz, Lebensregel, Prinzip, hier: Leitsatz
Hurrelmann, Klaus: „Lebensphase Jugend. Eine Einführung in die sozialwissenschaftliche Jugendforschung.“ 7. Auflage, Juventa Verlag: Weinheim, München 2004, Seite 64f
genetisch = körperliche sowie psychische Eigenschaften und Fähigkeiten auf Grund der Erbinformationen in den Zellen vererbt.
Sozialisation = Prozess, an der Einordnung bzw. des Hineinwachsens und sein Ergebnis des einzelnen Menschen in die Gesellschaft und die damit verbundene Verinnerlichung von Traditionen, Normen, Sitten und gesellschaftstypischen Standards für soziales Verhalten sowie für die Sprache verinnerlicht.
Interaktion, Interagieren = Mindestens zwei oder mehrere Menschen handeln aufeinander wechselseitig, reagieren und beeinflussen sich in ihrem Kommunikationsverhalten gegenseitig.
Hurrelmann, Klaus: a.a.O.
Peergroup = Jugendliche innerhalb einer Gruppe, Clique Die Peergroup dient als Orientierung während der Übergangszeit vom Jugendlichen zum Erwachsenen.
Negieren = Verneinen, ablehnen, als nicht gültig erklären
vgl.: frei nach Schenk-Danziger, Lotte: Entwicklungspsychologie; Österreichischer Bundesverlag, Wien 23. Auflage 1995
Individuation = Dies ist der Prozess des Aufbaus einer individuellen Persönlichkeitsstruktur auch Selbstwerdung des Menschen genannt. Im Verlauf dieses Prozesses wird die eigene Einzigartigkeit bewusst. Zu ihr gehören unverwechselbare kognitive, motivationale, sprachliche, moralische und soziale Merkmale und Kompetenzen. Zur Individuation gehört auch, dass Erkennen der eigenen Unterschiedlichkeit im Vergleich mit anderen Menschen. Zu dieser Unterschiedlichkeit gehört das subjektive Erleben als einzigartige, einmalige Persönlichkeit, dass mit dem Aufbau der personalen Identität gleich zusetzen ist.
1 © Rahmenlos, München
Hurrelmann, A.A.O., Seite ???
Ressource = Im ursprünglichen Sinn bezieht sich der Begriff Ressource auf die Produktionsfaktoren bzw. wirtschaftlichen Güter sowie auch Rohstoffe, die verwendet werden können, um ein Produktionsziel zu erreichen. In diesem Zusammenhang bedeutet personale Ressource die eigene Fähigkeit, die der einzelne Mensch aus seiner Persönlichkeit heraus entwickelt. Die soziale Ressource meint in diesem Zusammenhang ganz einfach die Menschen, die wichtige Bezugspersonen darstellen.
Kollege = Hier: Ausdruck aus der Jugendsprache für Freunde, Bekannte. Der Ausdruck Freund ist aufgrund der Identitätsbildungsphase bezüglich der Geschlechtsrollenverhaltensweisen als „schwul“ verpönt.
Hurrelmann, A. A. O.
restriktiv = einengend, beschränkend, vorgebend
Erziehungsstile = Typische charakteristische und sich wiederholende Arten und Weisen zu erziehen. Die typische Widerholung sorgt für eine Klassifizierung und eben den speziellen Erziehungsstil.
Hurrelmann, Klaus, „Lebensphase Jugend. Eine Einführung in die sozialwissenschaftliche Jugendforschung“, 7. vollständig überarbeitete Auflage, Deventer-Verlag, Weinheim und München 2004 und die vorherige Ausgabe von 1995
Hurrelmann, Klaus: Das Modell der produktiven Realitätsvereinbarung - Entstehung und Entwicklung eines sozialisationstheoretischen Ansatzes" Aufsatz in: Fachzeitschrift "Pädagogik-Unterricht" Seite 6, 2008 ?
Hurrelmann, Klaus: „Lebensphase Jugend. Eine Einführung in die sozialwissenschaftliche Jugendforschung.“ 7. Auflage, Juventa Verlag: Weinheim, München 2004, Seite 64f
Hurrelmann, Klaus: a.a.O.
Hurrelmann, A. A. O.
Hurrelmann, Klaus, „Lebensphase Jugend. Eine Einführung in die sozialwissenschaftliche Jugendforschung“, 7. vollständig überarbeitete Auflage, Deventer-Verlag, Weinheim und München 2004 und die vorherige Ausgabe v